Letzte Woche habe ich im Vorfeld der diesjährigen jazzahead!, die vom 29. April bis 2. Mai über die Bühne ging, meinem Arbeitskollegen Marcel Kaufmann ein paar Fragen gestellt hinsichtlich seiner Erwartungen und den Herausforderungen an die erste virtuelle Ausgabe der weltweit grössten Jazzmesse. Den Beitrag kann man hier nachlesen »
Marcel sorgt bei der FONDATION SUISA seit Jahren als Projektleiter erfolgreich dafür, dass Schweizer Musik an den internationalen Musikmessen und -Events gebührend wahrgenommen wird. Ich habe ihn nach der jazzahead! zu seinen ersten Eindrücken kurz befragt:
Marcel, wie war die Reaktion unserer Community auf die virtuelle Messe?
So seltsam es klingen mag, aber: Ich weiss es nicht. Wenn ich an die früheren Ausgaben der jazzahead! zurückdenke, da war man physisch vier Tage an der Messe, hat Hunderte von Menschen getroffen, Konzerte live gesehen und am Ende, wenn der Schweizer Stand am Sonntag wieder geschlossen wurde, diskutierte man mit dem Team bei einem Bier über die gesammelten Eindrücke. In diesem Jahr gab es solche unmittelbaren Erfahrungen und Feedbacks kaum. So fehlt uns der eine oder andere Referenzpunkt, um das Ganze jetzt schon abschliessend einordnen zu können. Erst durch eine virtuelle Umfrage und bei Gesprächen mit Beteiligten wird sich in den nächsten Wochen ein stimmigeres Bild ergeben.
Normalerweise ist der Schweizer Messestand gut besucht. Wie funktionierte der Austausch auf virtuellem Wege?
Der spontane Besuch bei unserem Stand oder ein zufälliger Treff konnte nicht vergleichbar stattfinden. Ein Mitglied unseres vierköpfigen Teams sass zuhause am Computer und sorgte für den allfälligen Empfang. Ich habe gemerkt, dass man auf einer virtuellen Messe zum Einzelkämpfer wird. In der physischen Welt ergeben sich laufend Synergien, es bilden sich spontan Gruppen, man geht gemeinsam an die Showcases und diskutiert in den Pausen oder am Ende des Abends.
Wie schwierig war es für die beiden Swiss Acts an den diesjährigen Showcases?
Die Formation The True Harry Nulz besteht aus Schweizern und Österreichern, die zudem mehrheitlich in Deutschland leben. Sie traten live in Bremen auf. Im Saal waren zumindest Presseleute zugelassen, die nach jedem Stück applaudierten, was dann auch auf dem Live-Stream zu hören war. Beim Luzia von Wyl Ensemble verhielt es sich anders. Ihr Auftritt wurde ohne Publikum im Moods in Zürich vorproduziert und dann gestreamt. Die völlige Stille zwischen den Songs und die völlige Absenz von Gesprächen auf der Messe nach dem Auftritt, hinterlässt bei Künstlerinnen und Künstler eine Art luftleeren Raum. Ich denke, gerade was die Showcases betrifft, lässt sich die physische Erfahrung bisher auf keine Art und Weise ersetzen.
Gibt es auch Positives zu berichten?
Man sieht auf einen Blick, wer anwesend ist. Hat sich eine Person eingeloggt, lässt sie sich auch direkt kontaktieren. Das ist virtuell sicherlich einfacher. Auch der Coffee Break, den die SWISS MUSIC-Partner gemeinsam mit Österreich auf die Beine gestellt hat, fiel grundsätzlich positiv aus. Rund 30 Personen kamen zusammen – natürlich kein Vergleich zum traditionellen Alpine Cocktail – aber die Leute konnten sich in den Breakout-Räumen als Gruppe unterhalten. Das kam sehr gut an.
Lassen sich so kurz nach dieser virtuellen Erfahrung bereits Schlüsse für die Zukunft ziehen?
Wer kann schon die Zukunft voraussagen? Man kann sich laufend unter Berücksichtigung der realen Bedingungen und den technologischen Entwicklungen eine Meinung zur digitalen Transformation bilden. Trotzdem kommt es dann am Ende anders, als man denkt. Stand heute würde ich sagen, dass sich die Messen in Zukunft wieder auf das Physische konzentrieren werden und die digitalen Elemente als Ergänzung nutzen werden. Aber ob wir jemals wieder jenen Zustand erreichen werden, den wir vor der Pandemie gewohnt waren, weiss ich nicht. Auch bin ich nicht sicher, ob jener Zustand erstrebenswerter wäre. Jedenfalls müsste dafür die Impfkampagne weltweit erfolgreich durchgeführt werden.
Merci Marcel!