Ein paar Gedanken zum Jahreswechsel
Neulich im Fernsehen: «Sternstunde Musik». Eine Dokumentation mit dem Titel «Zukunftsmusik – Musikschaffen im Umbruch» – da wird einer wie ich natürlich hellhörig. In den letzten zwei Jahren habe ich als Direktor der FONDATION SUISA gemeinsam mit meinem Team und im Austausch mit der Musikszene unentwegt versucht, mit der Situation Schritt zu halten und gleichzeitig vorauszudenken. Der rund einstündige Film war für mich eine Art Weihnachtsgeschenk, bestätigte er doch, dass wir mit der Neuausrichtung unserer Förderpolitik vieles richtig gemacht haben. Im Film kommen zahlreiche Musikschaffende zu Wort: Schlagzeuger Jojo Mayer, Pianist Nik Bärtsch, Rapperin Big Zis, Singer/Songwriterin Evelinn Trouble, Sopranistin Regula Mühlemann, Cellistin Sol Gabetta, Filmkomponist Ephrem Lüchinger und viele mehr. Aber auch ein Veranstalter wie Dänu Schneider vom Le Singe in Biel und Pro Helvetia-Direktor Philippe Bischof.
Was mir gut gefallen und vor allem gutgetan hat: Da wird nicht gejammert, sondern nachgedacht. Corona, diese erste globale Krise des 21. Jahrhunderts, hat die Musik nicht in die Knie gezwungen. Im Gegenteil. Ein «Jetzt erst recht» schwebt bei den Statements der Musikschaffenden atmosphärisch in der Luft. Sol Gabetta mahnt zur Entschleunigung des Musikmarktes, fordert weniger Kompromisse und mehr Qualität statt Quantität. Big Zis fordert das Ende von Geld als Messwert für Arbeit, weil ansonsten «vieles, was wir tun nicht bezahlt wird».
Zeit als DER wesentlicher Faktor, sei gefragt. Um etwas Neues an den Start bringen zu können, wie Ephrem Lüchinger unterstreicht. Um die geistige Nahrung unserer Gesellschaft zu gewährleisten, meint Dänu Schneider. Und Jojo Mayer betont die Wichtigkeit neuer und stetiger Lernprozesse, um als Musiker mit der Digitalisierung Schritt halten zu können. Mit der bereits 2018 lancierten Anstossfinanzierung «Get Going!» haben wir für alle diese Anforderungen in der Tat eine Art Massanzug angefertigt, der sich dem Inhalt kreativer Projekte anpasst und nicht einer von aussen vorgegebenen Form. «Get Going!» schafft Freiräume für neues Denken, weil dieses neue Fördermodell den Weg zum Ziel erklärt und nicht das Resultat. Als FONDATION SUISA haben wir auch alle anderen Fördermodelle flexibler gestaltet, weil die Planungsunsicherheit auch im neuen Jahr wie ein Damoklesschwert über den Schweizer Musikschaffenden hängen wird.
Wir sind – da gehe ich mit meinem Kollegen Philippe Bischof einig – in einer Zeit, in der Wertverschiebungen notwendig sind. Wir als FONDATION SUISA helfen mit, dass kreative Freigeister sich auch in besonderen Zeiten frei entfalten (und reorganisieren) können. Denn wie sagt doch Big Zis am Ende von «Zukunftsmusik – Musikschaffen im Umbruch» so treffend: «Die Welt ist nicht, wie sie ist – die Welt ist, wie wir sie machen.»
In diesem Sinne wünsche ich allen einen guten und optimistischen Rutsch ins 2022.
Urs Schnell